A. Mäder: Die spätbronzezeitlichen und spätlatènezeitlichen Brandstellen

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Titel
Die spätbronzezeitlichen und spätlatènezeitlichen Brandstellen und Brandbestattungen in Elgg.


Autor(en)
Mäder, Andreas
Reihe
Zürcher Archäologie 8-9
Erschienen
Zürich 2002: Hochbauamt Kantonsarchäologie Zürich
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
ISBN
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Mathias Seifert

Die Arbeit beschäftigt sich in den zentralen Kapiteln mit den Befunden und Funden der Ausgrabungen, die in den Jahren 1996-2000 von der Zürcher Kantonsarchäologie wegen Bauvorhaben im Dorfteil Breiti in Elgg auf einer Gesamtfläche von etwa 5000 m2 durchgeführt werden mussten. Dass bereits zwei Jahre später die Auswertung der Strukturen und Funde und weiter führende Untersuchungen zur Chronologie und Anthropologie sowie die Resultate experimenteller Versuche publiziert vorliegen, ist in erster Linie der bewundernswerten Schaffenskraft und Effizienz des Autors zu verdanken. Ein weiteres Kapitel (VI) ist dem Gräberfeld von Ettenbühl gewidmet, das auf dem gleichen Gemeindegebiet liegt und in den Jahren 1934 und 1985 ausgegraben worden war. Leider erscheint die Karte mit den bronzezeitlichen Fundorten der Region (Abb. 103), auf der auch die Distanz zwischen Breiti und Ettenbühl – für das Verständnis nicht unwesentlich- ersichtlich ist, erst an dieser Stelle. Erfreulich ist, dass die 1934 ausgegrabene Gräbergruppe von Ettenbühl endlich sachgemäss aufgearbeitet ist. Die Grabungen von 1985 erbrachten weitere Bestattungen und erlauben dank sorgfältigerer Bergung und unter Berücksichtigung von weiteren Befunden eine bessere Wertung bezüglich der Datierung und des Grabritus.

In den ersten beiden Kapiteln von Band 8 werden detailliert die sorgfältig ergrabenen Befunde der einzelnen Flächen von Elgg-Breiti vorgestellt. Dank einer Humusüberdeckung von gut einem Meter sind die bronze- und eisenzeitlichen Strukturen im Vergleich zu anderen Fundstellen im Mittelland besser, ohne grosse Schädigungen durch Erosion oder Ackerbau, erhalten geblieben. An Befunden liegen Gräber, Brandstellen, Gräben, Gruben und Pfostenlöcher vor. Die Gräber, aber auch die Brandstellen mit den Fragmenten von kalzinierten Menschenknochen weisen auf einen Begräbnisort hin. Obwohl man sich als Leser bald einmal fragt, wie die Fundstelle als Ganzes anzusprechen ist, steht trotz des Verweises auf Kapitel VIII.2 nirgends explizit, dass das Gelände in der Spätbronzezeit wohl als Grabbezirk und nicht als Siedlungsbereich anzusprechen ist. Vermisst wird auch ein Übersichtsplan mit allen Grabungsflächen und Strukturen, der eine Beurteilung der Dichte und Verteilung im Gesamten erlauben würde. Nimmt man die Pläne zusammen, so fällt beispielsweise auf, dass die Vierpfostenstellungen in der Fläche ZANI (Abb. 22) spätbronzezeitlich datiert werden, während sie in der Fläche Güttinger (Abb. 35) latènezeitlich sein sollen. Nicht ganz einfach für das Verständnis ist der Gebrauch von Doppelbezeichnungen der Strukturen, z. B. Brandstelle D (Bf 12); einfache Signaturen erhöhen die Lesefreundlichkeit.

Das in Kapitel III vorgestellte Fundmaterial beschränkt sich für die Bronzezeit auf Keramik. Dank den Standard-Angaben zu den Scherben (Gewicht, Magerung, Wandstärke, Erhaltung, Anteil Rand-, Wand-, Bodenscherben) ist ein Vergleich mit dem Bestand aus anderen Grabbezirken und aus Siedlungsflächen möglich. Unter Betonung der starken Fragmentierung der Gefässe wird eine typologische Gliederung vorgenommen, die ihrerseits eine horizontalstratigraphische Abfolge der Befunde erschliesst (VIII,1.4.-1.6.). Entsprechend wird das Fundmaterial im Tafelteil in chronologischer Abfolge präsentiert, nämlich nach den drei für BzD ermittelten Abschnitten. Die Feinchronologie stützt sich aber nicht allein auf Merkmale, die sich durch deren horizontalstratigraphische Erfassung ergibt. Die Mischung von Indizien aus der Grabung Elgg-Breiti mit Merkmalen von Fundkomplexen anderer Orte zeigt einmal mehr die Problematik für die chronologische Gliederung des Fundstoffes in BzD: Aus Ermangelung eines genügend grossen Gräberfeldes mit einer klaren Abfolge oder einer durchgehenden Siedlungs-Stratigraphie mit einer klaren Phasentrennung versucht jeder Forschende über sieben Ecken zu einem plausiblen Ergebnis zu kommen. Der ganzen Sache nicht gerade förderlich ist der Beizug des Chronologiesystems von Sperber: Spätestens beim Erscheinen seiner Phasen streckt vermutlich nicht nur der mittelmässig bewanderte Spätbronzezeit-Kenner die Waffen. Weshalb Sperber, trotz grösster Achtung vor seinem Werk, immer wieder als letzte Instanz bemüht wird, bleibt mir schleierhaft. Als Leser, vor allem aber als Benutzer der Publikation hätte ich mir gewünscht, dass im Katalog die Funde pro Grabungsfläche, und innerhalb der Grabungsfläche gesondert nach den Befunden abgebildet wären. Damit wäre für mich eine Nachkontrolle der chronologischen Abfolge einfacher. Ob die drei Phasen tatsächlich so sauber zu trennen sind, wage ich anhand der auswertbaren Grundmengen (Abb. 60) wenigstens in Frage zu stellen. Die begrenzte Verteilung von Merkmalen scheint mir auch nicht in allen Fällen klar ersichtlich zu sein. Da eine weiträumige Verschwemmung der Scherben im 1. Kapitel ausgeschlossen wird, müssen einzelne Scherben (Fläche Güttinger, Kerbschnitt Taf. 43,508) ebenfalls zur Nutzungsfläche des frühen oder mittleren Abschnittes gehören (Taf. 25,16) oder die Merkmale lassen sich nicht auf den gewünschten engen Zeitraum eingrenzen, was wiederum das ganze chronologische Gerüst in Frage stellen würde. Was erst im folgenden Kapitel IV zu den absolutchronologischen Daten nachzulesen ist, darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden: Die drei vorgeschlagenen Abschnitte für BzD verteilen sich nach der Interpretation Mäders auf ca. 80 Jahre, genauer auf den Zeitraum 1290-1210 v.Chr. Diese Daten verdanken wir der dendrochronologischen Untersuchung von verkohltem Holzmaterial (Eiche, Esche) aus 5 Befunden, die sich auf die Flächen Zani und Güttinger verteilen. Zum ersten Mal ist es hier für BzD gelungen, Fundkomplexe mit absoluten Daten zu verbinden. Die Interpretation der Dendrodaten wird dadurch erschwert, dass nur Kernholz erhalten ist. 20-30 fehlende Jahrringe bis zur Rinde hinzuzurechnen mag bei grossen Serien von Hölzern aus Ufersiedlungen angemessen sein. Bei ihnen lässt sich aufgrund der Staffelung der Endjahre, der Kenntnis des Wuchsbeginns und bei Vorhandensein von mindestens einer Probe mit Waldkante der Bereich der Schlagdaten mit diesem geschätzten Fehlbetrag einengen. Im Falle von Elgg fehlen bis zu 100 Jahrringen wie das Beispiel von Probe 2972 zeigt, für die ein Fälldatum um 1200 oder noch später postuliert ist. Deshalb scheint mir auch die Aufteilung in die drei Belegungsphasen (Brandstelle A/B, um 1290 v.Chr.; Brandstelle C, um 1230; Brandstelle D, um 1220/10) gewagt. Aus dendrochronologischer Sicht ist es ebenso möglich, dass für alle vier Befunde Waldkanten zu erwarten sind, die erst in der 2. H. des 13. Jh. liegen. Die einzig sichere Aussage scheint mir zu sein, dass die Befunde aufgrund der Daten ins 13. bis frühe 12. Jh. v.Chr. zu setzen sind.

Spannend zu lesen und als Sammelwerk zum Begräbnisritual aufzubewahren ist Kapitel VII mit den Untersuchungen und Experimenten zur Kremation. Runzelt man anfänglich vielleicht noch die Stirn zu den aufwendig gestalteten und minuziös dokumentierten Versuchen, ist man nach dem Lesen des Kapitels doch dankbar, dass es jemand auf sich genommen hat, den Vorgang und das Spurenbild von Fleischverbrennungen 1:1 im Experiment zu untersuchen und wissenschaftlich darzulegen. Das Kapitel soll Jedem Lehre genug sein, bei künftigen Grabungen verbranntem Knochenmaterial mehr Aufmerksamkeit zu schenken als bisher.

Im Synthese-Kapitel VIII wird zuerst die absolute Chronologie der Stufe BzD abgehandelt. Seit den grundlegenden Arbeiten von Müller-Karpe war die Datierung des Beginns der Stufe immer wieder Gegenstand von umfangreichen Untersuchungen. Mit Sperber (1987), der das Anfangsdatum auf 1365 v. Chr. festlegte, ging das Feilschen um Jahrzehnte unter Berücksichtigung von C14- und Dendrodaten erst richtig los. Für Della Casa/Fischer (1997) lag der Beginn in der 2. Hälfte 14. Jh., David-Elbiali (2000) präzisierte in das letzte Jahrhundertviertel, man nähert sich wieder dem Jahr 1300 an (Abb. 149). Andreas Mäder macht glücklicherweise nicht den Fehler, mit einem weiteren Datierungsansatz glänzen zu wollen. Sein Fazit nach der klar strukturierten Darlegung der Fakten und Argumente: Unter diesem Aspekt wird die absolutchronologische Datierung des Beginns von BzD mittels kategorischer Schwerpunktsbildung von C14-Daten methodisch hinfällig. Breiter Raum wird der relativchronologischen Stellung und der chronotypologischen Gliederung der BzD-zeitlichen Keramikkomplexe der Nordostschweiz eingeräumt. Übersichtlich dargestellt und gut benutzbar ist der umfassende Katalog verwertbarer Fundensembles aus Siedlungen und Gräbern. Sie sind in einem schematischen Chronologieschema zeitlich geordnet, die Schlüsselkomplexe sind zudem noch einmal mit ihrer chronologischen Gliederung abgebildet. Dies erleichtert den Nachvollzug der Argumentation Mäders in mustergültiger Weise. Eine Gesamtschau zu den Brandstellen und Gräbern im Kanton Zürich und grundsätzliche Überlegungen zum spätbronzezeitlichen Bestattungsbrauchtum runden die Arbeit ab.

Wenig überzeugt mich der vom Autor und bereits früher von anderen ForscherInnen postulierte Innovationsschub ab BzD. Solche Schübe könnte man wie Erdbeben oder Windstärken in einer Skala erfassen. Nimmt man für die römische Okkupation, die vieles grundlegend verändert hat, den höchsten Wert 10, dann ist der Beginn der Spätbronzezeit vermutlich irgendwo um 1 anzusetzen. Gegenüber anderen Stufenübergängen, die letztlich reine Konstrukte sind und das fliessende, dynamische der Entwicklungen vergessen lassen, hebt sich der Beginn von BzD nicht so spektakulär ab, wie immer wieder behauptet wird.

Gesamthaft betrachtet scheint mir die vorliegende Publikation Grundlagenwerk und Markstein in einem zu sein, einerseits für die Spätbronzezeitforschung, andererseits für die Untersuchung und Deutung von Grabbefunden und den damit zusammenhängenden Bestattungsritualen, archäologisch wie experimentell.

Obwohl nur als Heftreihe deklariert, heben sich die Publikationen der Zürcher Archäologie dank unprätentiösem, gradlinigem Konzept und einem Layout ohne den heute sich leider immer mehr ausbreitenden graphischen Schnickschnack wohltuend von der Masse der archäologischen Publikationen - seien es Monographien, Jahresberichte oder Zeitschriften - in der Schweiz ab. Form und Inhalt scheinen mir hier in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander zu stehen. Leider ist dem Impressum nicht zu entnehmen, wem wir das klare und ruhige Konzept und dessen Realisation zu verdanken haben.

Zitierweise:
Mathias Seifert: Rezension zu: Andreas Mäder, Die spätbronzezeitlichen und spätlatènezeitlichen Brandstellen und Brandbestattungen in Elgg. Zürcher Archäologie, Heft 8 (Text) und Heft 9 (Kataloge, Anhang, Tafeln), Zürich und Egg 2002. 320 S., 158 Abb., 60 Taf. Zuerst erschienen in: Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Nr. 88, 2005, S. 399-400.

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